Stand: 06.02.2021 09:54 Uhr
Der Internationale Strafgerichtshof will möglichen Kriegsverbrechen in den Palästinensergebieten nachgehen. Die Richter in Den Haag erklärten, sie seien auch für die besetzten Regionen zuständig. Israel protestiert.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat geurteilt, dass er auch für die palästinensischen Gebiete zuständig ist. Damit machten die Richter den Weg frei für Ermittlungsverfahren zu möglicherweise dort begangenen Kriegsverbrechen.
Die Richter in Den Haag begründeten ihre Zuständigkeit für die Region mit Verweis auf die eigenen Gründungsstatuten, nach denen konkrete Staaten oder Grenzen nicht Voraussetzungen für Verfahren vor dem Gericht sein müssen.
Internationaler Strafgerichtshof will mögliche Kriegsverbrechen in palästinensischen Gebieten untersuchen
tagesschau24 09:00 Uhr, 6.2.2021
Chefanklägerin: Ermittlungen gerechtfertigt
Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte im Dezember 2019 erklärt, dass Ermittlungen zu Kriegsverbrechen gerechtfertigt seien. Sie hatte zunächst aber eine richterliche Entscheidung über die Zuständigkeit angefordert.
Der IStGH kam nun zu dem Schluss, dass die seit 1967 von Israel besetzten Palästinensergebiete, also das Westjordanland, der Gazastreifen und Ost-Jerusalem, unter ihre Gerichtsbarkeit fallen.
Mögliche Ermittlungsverfahren können sich sowohl gegen israelische Staatsbürger wie etwa Offiziere richten als auch gegen Palästinenser. Ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes könnte weitreichende Konsequenzen für Israel haben. So müssten Offiziere oder bestimmte Politiker theoretisch mit einer Festnahme auf Auslandsreisen rechnen.
Der Strafgerichtshof handelt gegenüber Individuen, nicht gegenüber Staaten. Noch läuft aber kein Verfahren gegen Israel. Eine Kammer des Gerichtes klärte nur die Frage, ob das Gericht prinzipiell für mögliche Verbrechen in den palästinensischen Gebieten zuständig ist. Die Richter betonten, dass mit ihrer Entscheidung keine Aussage über die Rechtmäßigkeit der Grenzen gemacht werde.
Palästinenser wollen Militäraktionen untersuchen lassen
Die palästinensische Autonomiebehörde hatte den Gerichtshof ersucht, israelische Militäraktionen im Krieg gegen militante Palästinenser im Gazastreifen 2014 zu untersuchen. In den Fokus könnte dabei nicht nur Israel rücken, sondern auch die Hamas, die Gaza kontrolliert. Zudem will die Autonomiebehörde sich gegen den von Israel in Ost-Jerusalem und im Westjordanland vorangetriebenen Siedlungsbau wehren.
Netanyahu kritisiert Entscheidung
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisierte den Beschluss des IStGH. Das Gericht habe einmal mehr bewiesen, dass es eine politische und keine juristische Einrichtung sei, teilte das Büro des Regierungschefs mit. Das Gericht ignoriere die wahren Kriegsverbrechen. Mit der Entscheidung habe das Gericht das Recht von Demokratien verletzt, sich gegen Terrorismus zu wehren.
Aus Sicht Israels wurde der Internationale Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen in Ländern geschaffen, die keine Aufklärung leisten wollen oder können. Israel sei aber ein Rechtsstaat. Die israelische Regierung erkennt den Strafgerichtshof nicht an und verweist darauf, dass Palästina kein Staat sei. Dieser Sichtweise hatte sich Deutschland vor etwa einem Jahr angeschlossen.
Palästina begrüßt “Sieg des Rechts”
Die Palästinenser begrüßten den Gerichtsbeschluss. Der palästinensische Premierminister Mohammed Schtaje sprach von einem Sieg des Rechts. Das Außenministerium betonte, man sei bereit für eine Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof.
Es ist aber keinesfalls sicher, dass die Palästinenser eine Anklage gegen Israel vorantreiben werden. Die USA gelten als entschiedener Gegner eines solchen Schrittes. Die Palästinenser hoffen, dass sich unter US-Präsident Joe Biden ihr Verhältnis zu Washington verbessert. Eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof würde dem entgegenstehen.
Der Internationale Strafgerichtshof untersucht seit 2002 mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seine rechtliche Grundlage ist das Römische Statut. Dem Vertrag sind mehr als 120 Staaten beigetreten, darunter alle EU-Staaten. Israel gehört ebenso wie die USA, China und Russland zu den Ländern, die das internationale Gremium nicht anerkennen.
Mit Informationen von Benjamin Hammer, ARD-Studio Tel Aviv
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