Ex-Geisel spricht über seine Zeit in der Hand der Hamas


exklusiv

Stand: 06.05.2024 20:49 Uhr

Louis Har wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt. Nach 129 Tagen befreite das Militär den 71-Jährigen. Nun erzählt er, was er während der Zeit erlebt hat.

Es ist der 12. Februar, zwei Uhr morgens: Soldaten der Spezialeinheit “Shayetet 13” befreien nahe Rafah zwei Geiseln aus der Hand der Hamas. “Ich habe sie, sie sind okay”, gibt ein Soldat an die Kommando-Leitstelle durch. Louis Har ist einer der Geretteten. Ein Soldat fragt ihn, wie es ihm gehe. “Das ist wie ein Schock, aber es ist alles gut”, antwortet er.

Fast drei Monate nach dieser spektakulären Rettungsaktion erinnert sich Louis Har im Gespräch mit der ARD an diesen Moment. Damals fragte er den Soldaten, ob das jetzt echt sei oder doch ein Film. Der antwortete: “Wir sind gekommen, um dich zu deiner Familie zurückzubringen.”

Terroristen entführen ihn und seine Lebensgefährtin

Wir treffen Louis Har in einem Appartement in Herzlia, nördlich von Tel Aviv. Als junger Mann wanderte er aus Argentinien nach Israel aus. Am 7. Oktober, dem Tag des Überfalls der Hamas, war Louis Har in einem Kibbuz unweit des Grenzübergangs Kerem Shalom. Mehrere Familienmitglieder schliefen in dem Haus. Morgens hörten sie Sirenen und Kampfgeräusche. Wenig später drangen Terroristen in das Haus seiner Lebensgefährtin Clara Marman ein. Beide flüchten in den Schutzraum, doch Hamas-Kämpfer feuern auf die Tür.

“Wir waren im toten Winkel, deshalb gingen die Kugeln ans uns vorbei”, erzählt Har. Es sei knapp gewesen. “Wir lagen auf dem Boden und hatten uns umarmt.” Dann kamen die Kämpfer in den Schutzraum und hätten in die Luft geschossen. “Da wir unten waren, trafen uns die Kugeln nicht”, erinnert sich Har. “Wir schrien: Nicht schießen, nicht schießen!”

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Barfuß durch die Tunnel der Hamas

Für Louis Har, seine Lebensgefährtin Clara Marman, zwei ihrer Geschwister und ihre Nichte ging es auf der Ladefläche eines Toyota-Pickup in den Gazastreifen. Während der Fahrt saßen sie auf Waffen und Granaten. Danach geht es für sie drei Stunden barfuß durch dunkle, unbefestigte Tunnelgänge.

In Rafah mussten sie arabische Kleidung anziehen, berichtet Har. Danach wurden sie in ein Appartement gebracht, wo Louis Har bis zu seiner Rettung bleiben wird. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen. Einer der Wächter habe ihn und die anderen Geiseln in dem Appartement immer wieder provoziert.

“Er belästigte das Mädchen, das bei uns war. Er sagte, dass er Single sei und sie gerne heiraten würde. Dabei machte er immer wieder diese Bewegung, als würde er ihr den Ring anstecken. Aber wir sagten ihr, sie solle sich umdrehen, so tun, als würde sie schlafen, ihm nicht antworten, sich keine Sorgen machen. Doch sie weinte, es war wirklich gefährlich”, berichtet Har.

Louis Har (Mitte) mit Sophie von der Tann (links) und Julio Segador (rechts) aus dem ARD-Studio Tel Aviv.

“Es mangelte nicht an Geschichten”

Louis Har hat bisher nur wenige Interviews gegeben. Er ist die erste vom Militär befreite Geisel, die mit einem deutschen Medium spricht. Der 71-Jährige wirkt gefasst, auch wenn die Emotionen ihn immer wieder einholen.

129 Tage war er in der Hand der Terroristen, eingepfercht in einem kleinen Raum, den er nur verlässt, um in die Küche zu gehen oder auf die Toilette. In dieser Zeit sei er zum Geschichtenerzähler geworden. Damit habe sich die Gruppe die endlosen Stunden vertrieben, in denen sie in dem kleinen Raum saßen.

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Leise habe er von seiner Kindheit in Argentinien, den Freunden, erzählt. Jeden Tag etwas Neues. “Das Mädchen wollte immer mehr wissen. Ich erzählte sogar von den Geburten meiner Kinder. Es mangelte nicht an Geschichten”, erzählt er jetzt uns.

Er kochte für Geiseln und Wächter

Und er wurde zum Koch. Die Wächter hätten Produkte mitgebracht, etwa eine Dose Erbsen. Anfangs habe es auch Eier gegeben, dann aber nicht mehr, erzählt Louis Har. “Es gab Tage, an denen wir nur ein Pita-Brot gegessen haben, den ganzen Tag.” Wenn es etwas gab, womit er kochen konnte, dann habe er das gemacht. “Ich habe gekocht, für uns und auch für sie.”

129 Tage war er gefangen. Keine der bisher freigekommenen Geiseln war länger verschleppt als Louis Har. 129 Tage, in denen er immer wieder Sehnsucht nach seiner Familie hatte. “Was ich am meisten vermisste, war die Umarmung meiner Enkelkinder, sie zu spüren. Ich stellte mir die Wärme ihrer Umarmung vor.” Dabei hätte er geweint, doch er wollte Fernando, eine andere männliche Geisel, damit nicht belasten. Louis Har sagte ihm deswegen: “Hey, irgendwas im Auge stört mich.”

Im November 2023 kamen die beiden Frauen und das Mädchen im Zuge der Waffenruhe frei. Louis Har und Fernando blieben Gefangene. Seine Frau Clara wollte erst bei ihm bleiben. Doch Har sagte ihr, dass sie gehen solle: “Es war wichtig, dass sie rauskam. Es war das Beste, was passieren konnte. Es gab uns Hoffnung, dass wir ebenfalls rauskommen”, erzählt er.

“Immer wieder kommen die Erinnerungen zurück”

Nach mehr als vier Monaten in der Hand der Hamas war das dann der Fall. Nur wenige Stunden nach der spektakulären Rettungsaktion konnte Har seine Liebsten wieder in die Arme schließen. Während er davon erzählt, schießen ihm Tränen in die Augen. Allein die Erinnerung an das Gefühl, wie er am Tag seiner Rettung seine Familie wieder in die Arme schließt, überwältigt ihn.

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Seit seiner Befreiung sind inzwischen fast drei Monate vergangen. Nach außen wirkt er stabil. Trotzdem haben die 129 Tage in der Hand der Hamas-Terroristen Spuren hinterlassen. Louis Har berichtet, dass er schlecht schlafe, “immer wieder kommen die Erinnerungen zurück, manchmal weine ich ohne Grund, wie eben. Ich denke, dass es Jahre dauern wird, bis wir darüber hinwegkommen, sollte dies jemals der Fall sein.” 

Louis Har trifft seine Familie in einem Krankenhaus in der Nähe von Tel Aviv wieder.

“Heute kann mir niemand leidtun”

Was empfindet er, wenn er an das Leid im Gazastreifen denkt? An die vielen Tausend Toten in diesem Krieg? Kann man als ehemalige Geisel Mitleid empfinden mit den Menschen im Gazastreifen?

Nach allem, was ich durchgemacht habe, nach dem sexuellen Missbrauch von Frauen und Männern vor ihren Kindern, nachdem die Kinder nur ein Viertel Pita am Tag bekamen, und andere schreckliche Dinge, die ich gehört habe. Heute kann mir niemand leidtun.

Jetzt sei ihm nur eines wichtig: Er will mithelfen, dass die verbliebenen Geiseln nach Hause kommen. Hier sieht er die Regierung in der Verantwortung und bittet, “dass sie die 133 Geiseln zurückbringen. Egal wie, so schnell wie möglich. Egal um welchen Preis.”

Julio Segador, ARD Tel Aviv, tagesschau, 06.05.2024 10:33 Uhr

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